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Mahlzeit! Von der Joghurtmaske bis zur Ganzkörperpackung - Essanfänger und das Experimentieren

Aktualisiert: 31. März 2023


Warum Experimentieren lassen eure Beziehung eher stört als stärkt und dich früher oder später genau die Sätze sagen lässt, die Du eigentlich nie sagen wolltest.


In jedem Anfang wohnt ein Zauber

Kennst du auch diese „lustigen“ Videos, Reels oder Stories von Kleinkindern, die schon so müde sind, dass sie mit dem Kopf im Essen landen? Es gibt auch noch die, von Babys, die sich das Essen in die Haare schmieren oder Kinder, die sich das ganze Kakaoglas über den Latz kippen. Herzchen, lachende Smileys und viel Applaus gibt es von Followern, für die doch so entspannten Eltern, die ihre Kinder Erfahrungen machen lassen, Sinneswahrnehmungen ermöglichen und eben eigenes Lernen zulassen. Übrigens kommt diese Art der "Essbegleitung", die ich mal in Anführungszeichen setze, weil es ja in diesem Moment scheinbar keine gibt, auch in Kitas vor. Aus diesem Grund schreibe ich fortlaufend "Erwachsene".


Obwohl oder gerade weil ich Vertreterin der beziehungsvollen Begleitung von Kindern bin und pro eigene Erfahrungen und Selbst-wirksamkeit, kommen jedes Mal, wenn ich solche Videos sehe, meine inneren Widerstände hoch und rufen: Nein! Nein! Nein! Ich habe auch das Bedürfnis etwas dazuzusagen: Nämlich, dass diese Art des „Essen lernen“ weder beziehungsvoll ist noch die Bindung stärkt und ethisch gesehen..na ja ich will mal nicht gleich so drastisch anfangen.


Und plötzlich hat man die Nase voll


Denn früher oder später - ist es nämlich bei den meisten mit der „in-jedem-Anfang-wohnt-ein-Zauber-Offenheit“ vorbei und dann heißt es plötzlich: „Nein! Stopp! Dann-räume-ich-jetzt-ab!" "Wir schmeißen nicht mit Essen." Oder noch besser: "Du bist doch jetzt groß. Iss ordentlich." An dieser Stelle könnte ich übrigens einen Lachsmiley setzen.


Zurück zu dem „Plötzlich-die-Nase-voll-haben-Phänomen". Du kennst es: Hierbei geht meist alles ganz schnell und vor allem viel zu schnell für die Kleinsten, die eben noch fröhlich, die Nudel im Ohr stecken hatten. Kleines Wesen also: Huch? Schreck? Whääääääää und zack ist das Geschrei groß. Stresshormone tanzen Samba und die eben noch so idyllische Astrid Lindgren Atmosphäre ist hinüber. Und da ist er: Der Beziehungskiller. Zumindest für den Moment. Dankbarerweise sind unsere Kleinen ja noch nicht nachtragend. Oder ist es etwa evolutionär clever angelegt, da sie sich ihrer Abhängigkeit von uns bewusst sind?


Heute modern und entspannt, morgen keine Lust auf den Quatsch


Doch auch wenn es zunächst für viele Erwachsene erstmal niedlich und putzig scheint, ihre Sprösslinge alles wild ausprobieren zu lassen, kommt entweder irgendwann der Waschlappen oder das Taschentuch dazwischen und die Mahlzeit ist ein ständiges "Essen - Wischen - Essen- Wischen Ping-Pong." Wie fände ich es eigentlich, wenn mein Freund, während des Essens meine Finger ungefragt abputzt oder mir das Taschentuch vor die Nase hält, ohne vorher einen Mucks zu sagen? Also für mich wäre das ein wahnsinniger Störfaktor und ich würde wahrscheinlich irgendwann aufstehen und woanders essen. Mmmh, schwierig aber, wenn man einen Meter über dem Boden ein eingepferchtes kleines Wesen im Hochstuhl ist und ja auch noch Hunger hat.


Das Gegenteil vom Wisch Wahnsinn - übrigens kommt der oft vor, weil man sonst keine sinnvolle Aufgabe am Tisch für sich findet und irgendetwas tun möchte - ist der "unsichtbarer Geist". Hier wird sich auch solange zurückgehalten, also aus der Beziehung gegangen, da man eben nicht die ganze Zeit "Nein","Stopp" sagen möchte, keine Idee hat, was man da sonst so sagen oder tun sollte und am Schluss, dann doch irgendwann die Grenze erreicht ist: Buh! Und ihr wisst, was dann wieder mit den Stresshormonen beim kleinen Wesen passiert. Gerade wenn der kleine süße Matschefratz oder die kleine Matschefratzine seine/ihre eigene Identität entdeckt, die Autonomie-phase um die Ecke kommt und es eben schon viele Nerven aufreibende und anstrengende Essenssituation gab, wird manchmal dieser Weg gewählt, aus der Beziehung zu gehen. Es gibt keine Idee, wie man das Steuer wieder übernehmen soll, ohne dann wieder streng zu sein, was man ja eigentlich nicht will. Dann doch lieber unsichtbar tun.


Kleiner Zusatz: Ich könnte mich über den Originaltitel, den ich extra gelassen habe, wegschmeißen und hier so einen Affen, der nichts sieht, hinsetzen.


Wer erzieht hier eigentlich wen?


Leider ist es in unserer Welt oft so, dass das Schwierigste scheint, sich in der Mitte einzupendeln und vor allem situativ zu reagieren, seine Rolle für jede Situation zu finden. Spezieller Druck scheint mir hier auch noch zu bestehen, da ja jeder besonders, individuell und entpsnant wirken will. Ich muss nicht den ganzen Tag Strenge und Ordnung fordern, damit es dann beim Essen "klappt", aber ich kann auch nicht vorm Essen die totale "Ektase" herausfordern und dann von 100 auf 0 von einem kleinen Wesen erwarten, dass es sich komplett herunterfährt und bei Drei still sitzt. Auch hier braucht es eine Anleitung, und zwar vom Erwachsenen. Okay, ich schweife ab...zurück zu den Mahlzeiten: Die Extremvertreter, der Fraktion “Mit-Essen-spielt-man-nicht.“ sagen: „Bringe deinem Kind nichts, bei, was du ihm später wieder abgewöhnen musst.“ Meint, dass von Anfang an unser sozialisiertes Essbesteck eine Rolle spielt. Für Extremvertreter der Riege „moderne Elternschaft“, bei denen man sich manchmal fragt, wer hier nun eigentlich wen erzieht, klingt das natürlich viel zu ernst und Spaßbefreit. Außerdem ist es ja so niedlich den kleinen Sprössling mit einer Joghurtmaske oder sitzend in einem Kakao Bad als Erinnerungsbild festzuhalten. Oder direkt für die Follower zu posten, währenddessen sich der Sprössling weiter genüsslich mit Essen einmassiert. Und da Mami sich so schön freut, wird immer weitergematscht. Es geht dieser Fraktion natürlich auch um die Sinneserfahrungen, die anscheinend außerhalb des Esstisches keinen Platz finden?

Die Sache mit der Würde und der Ethik


Liebe Mamis, liebe Papis, liebe all da draußen, die gerade ein Schoßfütterkind oder einen am Tisch Essanfänger vor sich haben, bitte bleibt bei der Sache: Liebevoll, beziehungsvoll und natürlich mit einer großen Fehlertoleranz, gleichzeitig klar und hilfreich für euer kleines Wesen, was weder den Abstand vom Glas zum Mund kennt und es wirklich schwer ist, die Nudel erstmal auf den Löffel zu bekommen. Wenn sie dann auch noch ohne Absturz zum Mund transportiert wird: Bravo, das ist schon fortgeschritten. Aus Kindersicht und ethisch gesehen ist es einfach nicht würdevoll und frustrierend zu gleich, wenn nur 30% im Mund landen und die wichtigste Bezugsperson vergnügt dreinschaut und belustigt ein Erinnerungsfoto schießt.

Und zum Schluss noch ein Ausrufungszeichen


Liebe Erwachsene, die ihr doch alle so viel Wert darauf legt, eure Kleinen zu kompetenten und selbstständigen Menschen zu erziehen, nehmt eure Rolle an und erinnert euch worum es beim Essen geht. Natürlich soll die Zeit da sein, sich einen Brokkoli erstmal anzuschauen, zu fühlen, langsam anzutesten, sich dann doch dagegen zu entscheiden, um das Röschen später doch nochmal zu probieren. Wenn allerdings der Brokkoli als Lockenfrisur auf dem Kopf platziert wird, ist euer Moment. Der Tag hat so viele Stunden, da ist es durchaus in Ordnung und vor allem hilfreich, wenn mal 20 Minuten nicht gespielt wird. Auch das ist nämlich eine wichtige Kompetenz im Leben von kleinen Menschen, in einer so komplexen, großen Welt: Wann ist Spielzeit? Wann ist Ruhezeit? Wann ist Kuschelzeit? Wann ist Körperpflegezeit und wann ist Essenszeit? Wenn für alles genug Platz und Zeit am Tag ist, kannst du als Erwachsener ruhigen Gewissens sagen: „Jetzt essen wir. Wir füllen unseren Bauch mit leckeren Sachen, die uns Energie für die Zeit danach geben. Wir sorgen jetzt dafür, dass der Hunger weggeht und wir danach wohlig satt sind." (und wenn es nur ein Mantra für euch selbst ist;-))


Du hilfst deinem Kind damit sich zurechtzufinden und vor allem Zeitfenster für die Aktivitäten des täglichen Lebens zu nutzen und wertzuschätzen. Du wirst dich früher oder später, oder an stressigen Tagen freuen, dass du nicht erklären musst, dass es gestern lustig war, sich eine Spinatmaske zu machen und heute eben nicht. Das ist nicht nachvollziehbar für unsere Kleinsten (die Betonung liegt hier auf den Kleinsten, die ja erstmal damit beschäftigt sind, überhaupt eine Struktur zu erkennen) und schafft statt Sicherheit, Unsicherheit. Anstatt sich aufs Essen lernen zu konzentrieren, ist eue*r kleine*r Fratz*ine dann mehr damit beschäftigt, was nun "geht" und was nicht. Das ist aber Inhalt für einen neuen Beitrag. Hier wird dann auch nochmal die Sitzposition Thema, die auch einen großen Einfluss darauf hat, ob sich ein kleiner Mensch aufs Essen konzentrieren kann oder eher mit seiner Balance und der Muskelkraft beschäftigt ist.


Hier noch ein paar Impulse und Elternativen:


Für Schoßfütterkinder:

Zum Nachdenken: Wie fühlt es sich wohl an, wenn der restliche Brei mit dem Löffel von der Mundregion "weggekratzt" wird? Ihr wisst alle, welchen Moove ich meine?


Zum Ausprobieren: Warte nicht mit einem gefüllten Löffel vor dem Mund deines Kindes.

Für einen achtsamen Dialog und das individuelle Esstempo


Für Essanfänger:

Zum Nachdenken: Wie findet bei euch das Saubermachen nach dem Essen statt? Selbst- oder fremdbestimmt? Mit oder ohne Ankündigung?


Zum Ausprobieren: Wenn dein Kind aussortiert und viel Essen auf dem Boden landet, lass das Aussortieren zu, gib dafür aber einen Rahmen: Eine kleine Schüssel oder einen kleinen Teller, der beim Kind steht. So wird das Bedürfnis beantwortet und gleichzeitig besteht die Möglichkeit sich später doch noch zu trauen, Neues zu probieren oder eben im zweiten Gang zu essen.


Für Fortgeschrittene:

Achte mal drauf: Fragst du dein Kind "Bist du fertig?" oder "Bist du satt?"



In diesem Sinne: Mahlzeit!


Falls ihr Fragen habt oder etwas loswerden wollt, immer raus damit.


Eure Maria



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