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Zu Besuch im "Stopp-Nein-Das-ist-doch-Quatsch-Land."

Aktualisiert: 31. März 2023

Über Entdeckungsfreude, eigene Grenzen, nie Hinterfragtes und wie du es anders machen kannst.

Quatsch mit Soße oder großer Mist?


Was ist eigentlich Quatsch? Wann ist Quatsch lustig und wann nicht? Gibt es lustigen Quatsch und nervigen Quatsch und wer entscheidet über die Bewertung? Man kann Quatsch reden, man kann Quatsch verzapfen, es gibt Quatschköpfe und Quatsch mit Soße und um gleich mal konkret zu werden, wie ist deine Bewertung zu folgendem Highlight aus meiner Arbeit: Ein Dreijähriger und ein Vierjähriger werfen Bierflaschen auf einem Spielplatz gegen einen Stromkasten, damit sie kaputt gehen. Ist das nun Quatsch mit oder ohne Soße? großer Mist? oder einfach das erste physikalische Experiment?


Ist es Quatsch oder unsere eigene Befindlichkeit?


Ich gebe es zu. Als Kind fand ich Quatsch auch lustiger, als jetzt. Vor allem habe ich es geliebt Fratzen zu schneiden. Vor allem zu Fremden, die mich angeguckt haben. Ich fand es witzig. Andere nicht. Fratzen schneiden kann ich immer noch gut, heute aber eher mit Kindern, wobei es mir manchmal in den Fingern juckt mein altes Talent nochmal zu aktiveren, wenn mir jemand komisch kommt. Zurück zum Thema...Auch wenn Quatsch machen nicht meine pädagogische Kernkompetenz ist, lasse ich Kinder auch gerne mal an den Füßen in der Luft baumeln, werfe sie hoch und möchte, dass Kinder das Toben, raufen und wild sein nicht nur mit Männern & Jungs verbinden Ich stifte sie auch gerne zum Quatsch machen an, aber zu Quatsch, der meines Erachtens kein Quatsch ist, sondern kreative Ideen. Ich möchte Kinder so bestärken, dass sie sich von Grenzen anderer nicht abhängig machen, ausprobieren und selber Erfahrungen machen sollen. Oft steht das Wort Quatsch nämlich meines Erachtens für eigenen Grenzen und Ängste. Die Grenze der eigenen Faulheit, die Grenze der eigenen Vorstellungskraft oder die Grenzen, die unsere Eltern uns mitgegeben haben z.B. dass albern sein und laut sein, stört. Und ich glaube, dass wir manchmal auch erklär faul sind oder selbst oft nicht wissen, was uns nun stört und dann heißt es eben einfach: "Ach stopp jetzt! Das ist doch Quatsch. Hör´ jetzt auch damit!"


Herr Quatsch, der Retter gegen die Langeweile


Kommen wir nun zu den "Quätschen". Mir fällt da ja gleich die Kacka-Pups-Phase ein und die viel gehörten Sätze dazu: „So ein Quatsch sagen wir nicht.“ Sie verdient aufgrund ihrer Komplexität aber einen eigenen Beitrag. Auch in den Kopf kommen mir sofort die Quatschsätze „Ich muss noch meine „Packe“ anziehen und danach kommen meine „Puhe“ an die „Püße“. Hast du mich gepöhrt? „Paria“? Pariaaaaaa, hast du mich gepöhrt? " Oder auch schön: Wenn man mitten in einer Tagesroutine steckt, schon froh ist, wenn man es gleich geschafft hat und dann mit Absicht nicht das gemacht wird, was jetzt ansteht. Dann heißt es meist: "Ach Mensch komm. Jetzt hör auf mit dem Quatsch! Stopp, jetzt! Du weißt doch wie es geht." Jahaaaaa eben! Und genau hier ist die Keimzelle für Quatsch! Dein Kind weiß nämlich ganz genau wie es geht. Hat es schon hundert Mal gemacht und findet diese Routine mittlerweile auch so stinkend langweilig, wie du. Anstatt es aber über sich ergehen zu lassen und es auszuhalten wie manche Erwachsenen nach dem Motto: „Es ist wie es ist. Müssen wir durch. Was soll man da machen?“ sind Kinder noch hoffnungsvoll und kreativ und rufen eben den Retter „Herrn Quatsch“. Der ist nämlich ein zuverlässiger Partner, wenn es mal zu langweilig ist. Manchmal ist er auch der Retter bei Überforderung, aber das sprengt hier jetzt den Rahmen.


Quatsch als gelerntes Instrument der Aufmerksamkeit


Kommen wir mal zur Definition für Quatsch. Hier gibt es so einige: Wir haben da „eine dumme, ungereimte Aussage“ oder „Torheit, falsche, unüberlegte, unkluge Handlung“ und „Alberei, kindisches Benehmen, etwas Unsinniges“. Wenn wir uns zunächst auf die letzte Definition beziehen, dann gibt es ja eigentlich gar keinen Quatsch. Denn wie wir schlauen, modernen Erwachsenen ja heute wissen: Hinter jedem Verhalten steckt ein Sinn. Ja, auch wenn dein Kind dir am Arm herumleckt, währenddessen du dich mit einer Freundin unterhältst, hat das einen Sinn. Es möchte höchstwahrscheinlich deine Aufmerksamkeit und Zuneigung. Und wie ich in dem Beitrag „Stopp. Das macht man nicht. Sag Entschuldigung“ schon erwähnt habe, entscheiden Kinder nicht zwischen positiver und negativer Aufmerksamkeit. Sie lernen nur irgendwann bei welchem Verhalten Erwachsene mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sehr intensiv bei ihnen sind. Und das ist eben oft der „Quatsch“.


Aus der Reihe tanzen und heraus aus dem Alltagsrad. Bist du dabei?


Der Quatsch, den ich eingangs erwähnt habe, also das Ausbrechen aus Routinen und das aus der Reihe tanzen bei all den Reihenfolgen, die Routinen so mit sich bringen, ist nach den oben genannten Definitionen, also auch kein Quatsch. Denn dieses Verhalten hat auch einen tieferen Sinn. Haben Kinder nämlich Skripte (so ist der hoch fachliche pädagogische Begriff für feste Abläufe) verstanden, erkannt und verinnerlicht, möchten sie das zeigen und das tun sie eben dadurch, dass sie sich die Schlafanzughose statt über den Po über den Kopf ziehen oder dadurch, dass sie sagen, dass sie nun in die Toilette zum Baden gehen. Währenddessen ich es schreibe, muss ich schon wieder lachen, denn: Alles erlebt und herrlich darüber gelacht und mitgemacht. Ihr dürft an dieser Stelle eure Lernkurve abkürzen: Gehst du in so einer Situation nämlich nicht mit, hältst am Ablauf fest und sagst dann am Besten noch: „Ach Mensch, das ist doch Quatsch jetzt.“, wird aus dem kleinen Quatschkopf schnell mal ein großer Wutzwerg oder ein "Null-Bock" und die Stimmung kippt schlagartig. Mein Tipp: Nimm den Quatsch! Er lässt Glückshormone tanzen und ist auf jeden Fall schneller "erledigt", als eine Gefühlsbombe. Das Lustigste ist übrigens, es wirklich ad absurdum zu treiben und ganz in echt! zu versuchen das Hosenbein über den großen Kopf zu bekommen, bis das Kind dann feststellt, dass das doch gar nicht so geht und es dir dann nochmal richtig zeigt. Und es ist doch vielleicht auch mal ganz erfrischend ? Denn wünschst du dir nicht eh manchmal ein bisschen aus der Reihe zu tanzen und aus dem Alltagsrad herauszuspringen?


Nicht lustig? Keine Nerven dafür? Dann sag es deinem Kind: "Es tut mir total leid. Ich habe gerade keine Energie mehr. Für mich ist es leichter, dir zu helfen, wenn du mitmachst. Möchtest du noch meine Hilfe oder soll ich dir 5 Minuten Zeit geben? Dann komme ich gleich wieder.“ Nicht bösartig oder sauer, sondern einfach ruhig und klar abgegrenzt, ein Angebot machend. So hat dein Kind die Möglichkeit sich zu entscheiden und du musst nicht über deine Grenze gehen.


Kleine Entdecker und der Quatsch

Verrückterweise gibt es ja, wie bei den größeren Entdeckern, auch schon bei den Kleinen so "Highlight-Quätsche", die du entweder schon selbst erlebt hast oder dich schon mal darauf vorbereiten kannst. Also auf deine Reaktion. Denn es ist wirklich verrückt. Es gibt einfach Gegenstände, die uns Menschen faszinieren. Egal ob wir 1986 oder 2022 geboren sind.

  • Die Toilette mit Klopapier vollstopfen

  • Mit der Klobürste durchs Haus laufen und sich am besten damit noch die Zähne putzen

  • Den Wasserhahn anmachen und laufen lassen

  • Klopapier abwickeln und abwickeln und abwickeln und...oh leer

  • Knete essen

  • Wachsmaler kauen

  • Wände anmalen

  • Schnürsenkel aus Schuhen ziehen

  • Schränke ausräumen und zwar NUR ausräumen

  • Alles in den Mund nehmen und begreifen

  • Alles auf den Boden klopfen

  • Das Töpfchen auskippen

  • Schubladen, Schränke und Mülleimer: Auf & zu und Auf & zu und Auf & zu

  • Den Müll ausleeren

  • Flüssigkeiten auf dem Boden verteilen und durchwischen

  • Mamis Tasche ausräumen

  • sich was in die Nase oder Ohren stecken wollen

  • Sand essen & Gras futtern

Und? Wie reagierst du das nächste Mal?


Vielleicht sitze ich ja in diesen Momenten auf deiner Schulter und du denkst an die Definitionen zurück: Alles kein Quatsch! Unsere kleinen Entdecker versuchen so die Welt zu verstehen, Neues kennenzulernen und eben irgendwie durchzublicken. Natürlich bedarf es einem Rahmen. Den kannst du aber erst geben, wenn du deinem Kind die Chance gibst dir zu zeigen, was ihn gerade interessiert. Zieht dein Kind gerade immer alle Schnürsenkel aus den Schuhen, stell alte Schuhe oder Schuhe, die ihr nicht täglich braucht, zur Verfügung. Schaue bei Verkaufs- oder zu Verschenken-Portalen nach Schnüren oder hole deine Geschenkbandkiste hervor und bastle Gegenständen, mit denen das "Herausziehbedürfnis" befriedigt wird. Gib deinem Kleinen eine Möglichkeit zu lernen und scheu dich gleichzeitig nicht dir trotzdem treu in deinen eigenen Grenzen zu bleiben: „Das möchte ich jetzt nicht. Das stört mich. Ich sehe aber dein Interesse und ich sorge dafür, dass du lernen kannst. Das geht. Das nicht. Hier ist eine Alternative, ein abgesteckter Rahmen."


Zum Schluss noch ein Ausrufungszeichen:


Kurz um: Natürlich ist es okay, wenn du etwas nichts möchtest. Gleichzeitig behalte die Entdeckerfreude und die Neugier deines kleinen oder schon etwas größeren Fratzes oder Fratzine im Auge und frage dich immer, bevor du sofort hektisch und stürmisch reagierst: Was stört mich jetzt? Und warum überhaupt? Was sehe ich noch außer Chaos? Welche Alternativen gibt es? Und habe im Hinterkopf: Je weniger dein Kind entdecken und verstehen kann, desto weniger entdeckt und versteht es eben auch. Bei den Kleinen sind es die Küchenschubladen und bei den größeren eben Wörter und Reaktionsmuster von Erwachsenen, aber sie haben alle dasselbe Ziel:


"Hallo Welt, hier bin ich. Zeig mir wie du funktionierst, reagiere auf mich und gib mir eine Chance mich zu entwickeln. Zeig mir Grenzen, liebevoll, verständnisvoll und hilfreich. Sei nicht gleich genervt, wenn ich es nicht sofort verstehe und freue dich mit mir, wenn ich es endlich habe und es dann 100x machen möchte."


Ach und by the way: Wenn ich möchte, dass mein Kind im Haushalt hilft, ist es eben auch clever erstmal einen Überblick zu gewähren, wo alles platziert ist;-) und auch wenn es total nervig ist am Ende alle Unterhosen wieder einzusortieren. Im best case trainiert dein Kind durchs ständige Hineingreifen und Herauswerfen Überkreuzbewegungen. Und für die, die es noch nicht wissen: Überkreuzbewegungen sind Gold wert.


In diesem Sinne, ich bin gespannt, wann du das nächste Mal den Quatsch entdeckst und schau mal selbst, wie du reagierst. Ich bin mir sicher, dass du noch viele Gelegenheiten zum Ausprobieren bekommst.


Und für alle die mögen: Fühlt doch mal in euch hinein, wie es sich anfühlt, wenn einer zu euch sagt: "Ach, das ist doch Quatsch."


Falls ihr Fragen habt oder etwas loswerden wollt, immer raus damit.


Eure Maria

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